Fristlose Kündigung: Gründe, Rechtslage und Handlungsoptionen

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was sind gründe für eine fristlose kündigung

Das Wichtigste im Überblick

Einleitung und Rechtliche Grundlagen

Die fristlose Kündigung stellt im deutschen Arbeitsrecht die schärfste Form der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses dar. Anders als bei der ordentlichen Kündigung entfällt hier die Einhaltung der regulären Kündigungsfristen, was sowohl für Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer weitreichende Konsequenzen haben kann.

Das Recht zur außerordentlichen Kündigung ist in § 626 BGB geregelt; die Schriftform ist gemäß § 623 BGB zwingend erforderlich. § 626 BGB setzt voraus, dass Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.

Die rechtlichen Hürden für eine wirksame fristlose Kündigung sind bewusst hoch angesetzt, da sie einen erheblichen Eingriff in die Rechtsposition der Vertragspartner darstellt. Neben dem Vorliegen eines wichtigen Grundes müssen zusätzliche formelle Voraussetzungen erfüllt sein, insbesondere die Einhaltung der zweiwöchigen Erklärungsfrist und in Betrieben mit Betriebsrat die vorherige Anhörung nach § 102 BetrVG.

Gründe für eine fristlose Kündigung durch den Arbeitgeber

Vertragswidrige Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers

Diebstahl und Unterschlagung gehören zu den schwerwiegendsten Kündigungsgründen. Bereits geringfügige Vermögensdelikte können eine fristlose Kündigung rechtfertigen, da sie das für ein Arbeitsverhältnis unerlässliche Vertrauen zerstören. Dabei kommt es nicht auf den Wert der entwendeten Gegenstände an – selbst der Diebstahl geringwertiger Büromaterialien kann in bestimmten Fällen zur sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen.

Betrug und Urkundenfälschung stellen ebenfalls schwerwiegende Vertrauensverletzungen dar. Hierunter fallen beispielsweise das Vorlegen gefälschter Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, die Manipulation von Arbeitszeiten oder die bewusste Falschdarstellung von Qualifikationen.

Tätlichkeiten am Arbeitsplatz rechtfertigen grundsätzlich eine fristlose Kündigung. Auch eine ernsthafte und objektiv erkennbare Androhung von Gewalt kann ausreichen. Besonders schwerwiegend sind Angriffe auf Vorgesetzte oder Kollegen.

Schwerwiegende Beleidigungen können ebenfalls einen Kündigungsgrund darstellen, insbesondere wenn sie in Gegenwart Dritter ausgesprochen werden oder sich gegen Vorgesetzte richten. Die Bewertung erfolgt dabei stets im Kontext der konkreten Situation und des betrieblichen Umfelds.

Störung des Betriebsfriedens

Mobbing anderer Mitarbeiter kann eine fristlose Kündigung rechtfertigen, wenn es systematisch und über einen längeren Zeitraum erfolgt. Dabei müssen die Handlungen geeignet sein, das Arbeitsklima nachhaltig zu vergiften und andere Beschäftigte zu schädigen.

Sexuelle Belästigung stellt einen besonders schwerwiegenden Fall der Störung des Betriebsfriedens dar und kann, abhängig von den Umständen des Einzelfalls, eine fristlose Kündigung rechtfertigen, da der Arbeitgeber zum Schutz der betroffenen Mitarbeiter verpflichtet ist.

Diskriminierendes Verhalten aufgrund von Geschlecht, Religion, Herkunft oder anderen persönlichen Merkmalen kann ebenfalls eine außerordentliche Kündigung begründen, besonders wenn es wiederholt auftritt oder besonders schwerwiegend ist.

Verletzung von Verschwiegenheitspflichten

Weitergabe von Betriebsgeheimnissen an Konkurrenten oder unbefugte Dritte stellt einen schwerwiegenden Vertrauensbruch dar. Dies gilt insbesondere für sensible Unternehmensdaten, Kundenlisten oder technische Innovationen.

Verletzung von Datenschutzbestimmungen kann ebenfalls eine fristlose Kündigung rechtfertigen, besonders in Zeiten der DSGVO, wo Datenschutzverletzungen erhebliche Konsequenzen für Unternehmen haben können.

Arbeitsverweigerung und Pflichtverletzungen

Beharrliche Arbeitsverweigerung nach entsprechender Abmahnung kann eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen. Dabei muss die Verweigerung grundlos erfolgen und sich auf wesentliche Arbeitspflichten beziehen.

Eigenmächtige Urlaubsnahme trotz Verweigerung durch den Arbeitgeber, insbesondere wenn dadurch betriebliche Abläufe erheblich gestört werden, kann ebenfalls einen Kündigungsgrund darstellen.

Gründe für eine fristlose Kündigung durch den Arbeitnehmer

Zahlungsverzug des Arbeitgebers

Lohnrückstände berechtigen den Arbeitnehmer zur fristlosen Kündigung, wenn der Arbeitgeber trotz Mahnung und angemessener Nachfrist die ausstehenden Beträge nicht zahlt. Dabei kommt es auf die Höhe und Dauer des Rückstands an – üblicherweise wird ein Zahlungsrückstand von mindestens zwei Monatsgehältern als kündigungsrelevant angesehen.

Unterlässt der Arbeitgeber die Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen, kann dies dem Arbeitnehmer ein Recht zur außerordentlichen Kündigung geben, da dies die soziale Absicherung des Arbeitnehmers gefährdet

Verletzung der Fürsorgepflicht

Gesundheitsgefährdung am Arbeitsplatz durch Missachtung von Arbeitsschutzbestimmungen kann dem Arbeitnehmer ein Recht zur fristlosen Kündigung geben, wenn der Arbeitgeber trotz Hinweisen keine Abhilfe schafft.

Mobbing durch Vorgesetzte oder das Dulden von Mobbing durch Kollegen kann eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen, wenn der Arbeitgeber trotz Kenntnis nicht eingreift.

Straftaten des Arbeitgebers gegen den Arbeitnehmer, wie etwa sexuelle Belästigung oder Körperverletzung, berechtigen grundsätzlich zur sofortigen Kündigung.

Besondere Umstände und Abwägungsfaktoren

Verhältnismäßigkeitsprüfung

Bei der Beurteilung der Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung erfolgt stets eine umfassende Interessenabwägung. Dabei werden verschiedene Faktoren berücksichtigt: die Schwere des Fehlverhaltens, die Dauer des Arbeitsverhältnisses, frühere Pflichtverletzungen, die persönlichen Umstände des Betroffenen und die Auswirkungen auf den Betrieb.

Lange Betriebszugehörigkeit kann dazu führen, dass auch schwerwiegende Pflichtverletzungen nicht automatisch eine fristlose Kündigung rechtfertigen. Das Vertrauen, das sich über Jahre aufgebaut hat, wirkt sich mildernd aus.

Wiederholte Pflichtverletzungen verstärken hingegen die Berechtigung zur außerordentlichen Kündigung, auch wenn die einzelnen Verstöße für sich genommen möglicherweise nicht ausreichend wären.

Abmahnungserfordernis

In vielen Fällen muss vor einer fristlosen Kündigung eine Abmahnung ausgesprochen werden. Diese dient der Warnung des Arbeitnehmers und gibt ihm die Möglichkeit zur Verhaltensänderung.

Ausnahmen vom Abmahnungserfordernis bestehen bei besonders schwerwiegenden Pflichtverletzungen wie Straftaten, bei denen eine Verhaltensänderung nicht zu erwarten ist oder bei wiederholten gleichartigen Verstößen nach bereits erfolgter Abmahnung.

Inhalt der Abmahnung muss das beanstandete Verhalten konkret beschreiben, die Rechtswidrigkeit deutlich machen und für den Wiederholungsfall arbeitsrechtliche Konsequenzen androhen.

Formelle Voraussetzungen der fristlosen Kündigung

Betriebsratsanhörung

Vor Ausspruch einer Kündigung ist die Anhörung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG zwingend gesetzlich vorgeschrieben. Eine ohne ordnungsgemäße Anhörung ausgesprochene Kündigung ist unwirksam. Dies gilt auch für fristlose Kündigungen, wobei hier aufgrund der besonderen Umstände eine verkürzte Anhörungsfrist möglich ist.

Zweiwochenfrist nach § 626 Abs. 2 BGB

Die fristlose Kündigung muss innerhalb von zwei Wochen nach Kenntniserlangung der für die Kündigung maßgeblichen Tatsachen erklärt werden. Diese Frist beginnt nicht bereits mit dem Auftreten des kündigungsrelevanten Ereignisses, sondern erst, wenn der Kündigende vollständige Kenntnis aller wesentlichen Umstände erlangt hat.

Kenntniserlangung bedeutet die tatsächliche Kenntnis der für die Kündigung maßgeblichen Umstände. Eine vertiefte rechtliche Bewertung ist nicht Voraussetzung für den Fristbeginn. Bei komplexeren Sachverhalten kann daher eine angemessene Prüfungszeit erforderlich sein.

Versäumung der Frist führt grundsätzlich zum Verlust des Rechts zur fristlosen Kündigung. Eine nachträgliche Heilung ist nicht möglich.

Schriftform und Begründung

Die fristlose Kündigung bedarf grundsätzlich der Schriftform gemäß § 623 BGB. Eine mündliche Kündigung ist unwirksam, auch wenn sie später schriftlich bestätigt wird.

Kündigungsgrund muss in der Kündigungserklärung nicht zwingend genannt werden, jedoch empfiehlt sich dies zur Klarstellung. Auf Verlangen des anderen Teils muss der Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitgeteilt werden.

Praktische Tipps für Betroffene

Für Arbeitnehmer

Sofortige Rechtsberatung suchen ist bei Erhalt einer fristlosen Kündigung essentiell. Die Fristen für eine Kündigungsschutzklage sind kurz und beginnen unabhängig von der Rechtmäßigkeit der Kündigung zu laufen.

Arbeitsagentur informieren sollten Sie unverzüglich, um eine Sperrzeit zu vermeiden oder zumindest zu verkürzen. Eine frühzeitige Meldung kann sich positiv auf die Bewilligung von Arbeitslosengeld auswirken.

Beweise sichern ist wichtig, wenn Sie die Kündigung für unrechtmäßig halten. Zeugen benennen, Dokumente sammeln und den Sachverhalt detailliert dokumentieren kann für ein späteres Gerichtsverfahren entscheidend sein.

Für Arbeitgeber

Sorgfältige Prüfung vor Ausspruch einer fristlosen Kündigung ist unerlässlich. Die rechtlichen Hürden sind hoch, und eine unwirksame Kündigung kann teuer werden.

Zweiwochenfrist beachten und bereits bei ersten Anhaltspunkten für kündigungsrelevantes Verhalten rechtliche Beratung einholen. Die Zeit für rechtliche Prüfung läuft unerbittlich ab.

Abmahnung vorschalten ist in den meisten Fällen erforderlich und sollte präzise das beanstandete Verhalten beschreiben sowie die Konsequenzen bei Wiederholung klar benennen.

Die Kanzlei Abegg & Abegg verfügt über umfassende Erfahrung in allen Bereichen des Arbeitsrechts und kann Ihnen dabei helfen, Ihre Rechte durchzusetzen oder rechtssicher zu handeln. Vereinbaren Sie einen Beratungstermin, um Ihre individuelle Situation zu besprechen.

Checkliste für die Praxis

Vor Ausspruch einer fristlosen Kündigung prüfen:

  • Liegt ein objektiv wichtiger Grund vor?
  • Ist eine Interessenabwägung erfolgt?
  • Wurde gegebenenfalls abgemahnt?
  • Ist die Zweiwochenfrist noch gewahrt?
  • Sind alle relevanten Tatsachen ermittelt?
  • Wurde der Betriebsrat angehört (bei Betrieben mit Betriebsrat)?
  • Liegen besondere Kündigungsschutzbestimmungen vor?
  • Ist die Schriftform gewahrt?

Nach Erhalt einer fristlosen Kündigung:

  • Sofort anwaltliche Beratung einholen
  • Kündigungsschutzklage binnen drei Wochen prüfen
  • Bei der Arbeitsagentur melden
  • Sachverhalt dokumentieren und Beweise sichern
  • Abfindungsverhandlungen erwägen
  • Zeugnis und Arbeitspapiere einfordern

Häufig gestellte Fragen

Kann eine fristlose Kündigung auch mündlich ausgesprochen werden?

Nein, eine fristlose Kündigung bedarf grundsätzlich der Schriftform gemäß § 623 BGB. Eine mündliche Kündigung ist unwirksam, auch wenn sie später schriftlich bestätigt wird.

Eine Kündigungsschutzklage muss binnen drei Wochen nach Zugang der Kündigungserklärung beim Arbeitsgericht eingereicht werden. Diese Frist ist eine Ausschlussfrist und kann nicht verlängert werden.

Nicht automatisch. Die Bundesagentur für Arbeit prüft eigenständig, ob das Verhalten des Arbeitnehmers eine Sperrzeit rechtfertigt. Bei einer unrechtmäßigen Kündigung durch den Arbeitgeber entfällt die Sperrzeit in der Regel.

Ja, die Regelungen zur fristlosen Kündigung gelten grundsätzlich für alle Arbeitsverhältnisse, unabhängig vom Umfang der Beschäftigung.

Nein, zwingend ist dies nicht. Auf Verlangen muss der Grund jedoch unverzüglich schriftlich mitgeteilt werden. Aus Beweisgründen empfiehlt sich eine Begründung.

Das Recht zur fristlosen Kündigung geht unwiderruflich verloren. Eine nachträgliche Heilung ist nicht möglich. Es bleibt nur noch die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung.

Schwangere und Schwerbehinderte genießen besonderen Kündigungsschutz. Eine fristlose Kündigung ist zwar nicht ausgeschlossen, erfordert jedoch in der Regel die vorherige Zustimmung der zuständigen Behörde (bei Schwangeren nach § 17 MuSchG, bei Schwerbehinderten nach § 168 SGB IX).

Ja, nach § 140 BGB kann eine außerordentliche Kündigung in eine ordentliche umgedeutet werden, wenn sämtliche Voraussetzungen für die ordentliche Kündigung – insbesondere Betriebsratsanhörung gemäß § 102 BetrVG und evtl. erforderliche behördliche Genehmigungen – vorliegen.

Ein gesetzlicher Abfindungsanspruch besteht grundsätzlich nicht. In der Praxis werden jedoch häufig Abfindungen vereinbart, um Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden oder im Rahmen eines Vergleichs beizulegen.

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